Am 28. August 2016 nahm ich am Ötztaler Radmarathon teil, der in Sölden startet und endet. Da wir schon seit ein paar Jahren immer nach Sölden zum Skifahren gehen, nehme ich schon lange an der Startplatzverlosung teil. In diesem Jahr hatte der Veranstalter ein Einsehen und gab mir, so wie allen anderen die mehrmals in Folge erfolglos an der Verlosung teilnahmen, einen Startplatz.
Wir sind dann schon ein paar Tage vorher angereist und hatten eine super Woche in Sölden bei perfektem Wetter. Dort habe ich eigentlich nur noch einmal trainiert indem ich auf den dortigen Gletscher hochfuhr – 1400 Höhenmeter auf nicht mal 14 Kilometern. Am Ende erreicht man den höchsten Punkt der Alpen, den man mit dem Rennrad auf asphaltierter Straße erreichen kann – über 2800m über dem Meer. Glücklicherweise ist dieser Berg nicht Teil des Ötztaler Radmarathons, vor allem weil natürlich auch Abfahrt sehr steil ist und meine Bremsen glühten. Den Rest der Woche verbrachte ich ich der Seilbahn, auf dem Spielplatz und im Schwimmbad.
Nun zum Rennen: Die Strecke ist der Grund für die Beliebtheit des Rennens. Über (offiziell) 238km gilt es 5500Hm zu bewältigen. Ich habe übrigens sowohl mit dem guten alten Radtacho als auch mit der GPS Uhr etwas weniger gemessen (229km und 5000Hm) und ich glaube ich habe nirgends abgekürzt. Von Sölden ausgehend rollt man erst leicht bergab bis zum Anfang des Ötztals von wo aus man ca. 1000Hm nach Kühtai fährt. Von da gehts bergab nach Innsbruck. Dort sind dann tatsächlich ein paar wenige flache Kilometer ehe man von Innsbruck ausgehend über den Brennerpass fährt. Der ist übrigens ziemlich harmlos, man könnte auch sagen „fast flach“. Nach dem Brenner fährt man nach Sterzing wo die nächsten 1000Hm am Stück warten – der Jaufenpass. Nach der Abfahrt von dort geht es in St. Leonhard direkt wieder hoch zum härtesten Brocken – dem Timmelsjoch. Dabei fährt man ca. 1800Hm am Stück auf über 2500m über dem Meer. Oben hat man es mehr oder weniger geschafft und man muss nur noch runter zurück nach Sölden.
Bei der Anmeldung im März hatte ich noch keinen großen Respekt, denn „Berge fahren kann ich ja“. Doch der Respekt stieg je näher das Rennen rückte. Trainiert habe ich ab Juni einigermaßen regelmäßig doch leider nie so wirklich lange. In der Zeit habe ich ca. zehn Touren um die 100km gemacht und eine mit genau 200. Zu wenig wie sich später rausstellen sollte doch da ich niemand bin, der morgens um 6 Uhr losfährt, kann ich nicht länger als 4-5 Stunden aus dem Haus. Und das reicht halt nur für 100-120km. Immerhin bin ich auch ein paar mal um die zwei Stunden gelaufen. Insgesamt war mir vorher schon klar, dass das kein optimales Training war, aber es sollte ausreichen um sicher durchzukommen – und das war mein Ziel.
Am Renntag war das Wetter mit Sonne und über 20°C glücklicherweise gut, denn bei Regen und Kälte sind vor allem die Abfahrt sicher eine Qual. Ich kam erst ziemlich pünktlich zum Start und stellte mich sehr weit hinten auf. Das Ende des Feldes war ca. 50m hinter mir. Der Anfang des Feldes sicher ein paar hundert Meter vor mir außer Sichtweite.
Obwohl ich auf den ersten Kilometern runter nach Ötz so schnell fuhr, wie ich bergab fahren kann, wurde ich von Beginn an nur überholt. Und zwar nicht langsam, sondern ich kam mir eher vor als würde ich stehen und alle rasen an mir vorbei. Als vorsichtiger und langsamer Abfahrer hatte ich schon damit gerechnet viel überholt zu werden, aber das war mir irgendwie dann doch zu viel. Ich hatte schon Angst in Ötz als Gesamtletzter anzukommen. Ganz so schlimm kam es dann aber doch nicht und ich fuhr in einem großen Feld in den Anstieg nach Kühtai. Den ließ ich dann auch bewusst ganz locker angehen um nur nicht zu überziehen. Dennoch überholte ich bergauf konstant, aber das war auch nötig. Das Feld war hier noch ziemlich dicht und es fuhr Rad an Rad mit meist 4 und mehr Radlern nebeneinander. Daher war es auch gar nicht immer einfach Platz zum Überholen zu finden.
Oben angekommen gings natürlich gleich wieder runter und hier fuhren sicherlich mehr als 200 Fahrer wieder an mir vorbei. Immerhin fuhr ein Fahrer vor mir ungefähr mein Tempo. Die schnellen Fahrer fuhren auch wirklich rücksichtsvoll. Keiner überholte irgendwie riskant und so kam ich mir recht sicher vor. Und da die Abfahrt nicht sehr steil und kurvenreich war, fuhr ich für meine Verhältnisse auch nicht langsam und bremste nur vor Kurven.
Nach Innsbruck ging es dann sehr langgezogen mit mäßiger Steigung auf den Brenner. Hier schaute ich, dass ich immer in einer Gruppe fuhr um im Windschatten schneller durchzukommen. Die Strecke geht hier auch immer mal wieder etwas runter und irgendwann war ich mitten in einer Riesengruppe – 4 Mann nebeneinander und ziemlich langgezogen – bestimmt 100-200 Fahrer. Das wurde mir dann irgendwann doch zu bunt und da das Tempo nicht besonders hoch war – schließlich muss ich mich weiterhin noch recht weit hinten im Feld befunden haben – fuhr ich raus und alleine nach vorne weg. Da ich das zufällig an der letzten längeren Steigung vor der Brenner-Passhöhe machte, war es aus Windschattensicht gar nicht so schlimm. Die Gruppe fuhr eine Weile ca. 100m hinter mir aber selbst am Berg schloss keiner mehr zu mir auf. Oben am Brenner machte ich dann erstmal ausgiebig Pause in der Verpflegungsstelle. Im Gegensatz zum Triathlon, wo man Essen und Trinken beim Fahren gereicht bekommt bedeutete das beim Ötztaler Rad abstellen, in Ruhe zum Essen und Trinken laufen und irgendwann weiterfahren. Hier hielt ich sicherlich über 10 Minuten an, denn ich hab auch mal meine Frau angerufen und musste wohin.
Nach dem Brenner kam eine längere Abfahrt auf der ich gar nicht sooo oft überholt wurde bevor es ab Sterzing dann die nächsten 1000 Höhenmeter zum Jaufenpass zu bewältigen galt. Auch hier fühlte ich mich gut, fuhr recht locker für eine Bergauffahrt und überholte konstant, wenn ich auch schon etwas Hunger hatte und mein Magen nicht soo scharf darauf war, Gels und Energieriegel zu essen. Beim Überholen hatte ich den Eindruck, dass sich die meisten anderen schon eher quälen als locker hochzufahren und daher blickte ich optimistisch dem restlichen Tag entgegen. Oben, beim Verlassen der Baumgrenze, wurde es dann doch auch etwas zäh für mich, doch die Passhöhe war schon recht nah zu sehen und ich kam da schon noch ganz passabel ohne große Qual rüber. Außerdem war hier noch mal eine Verpflegungsstation bei der ich wieder ein paar Minuten Pause machte.
Die Abfahrt nach St. Leonhard war dann wie immer, nur dass ich nicht mehr so oft überholt wurde, was aber eher daran lag, dass das Feld nun deutlich weiter auseinander gestreckt war. Auf dieser Abfahrt überholte ich auch das einzige Mal am gesamten Tag bei einer Abfahrt.
In St. Leonhard waren dann in einem Kreisverkehr, in den die Abfahrt mündete, drei flache Meter ehe es in der Ausfahrt des Kreisverkehrs direkt in den sehr langen Anstieg zum Timmelsjoch ging. Zeitlich waren dort noch nicht ganz sieben Rennstunden rum und da es ja nur noch ca. 50-60km waren und „nur“ noch über einen Berg mit knapp 1800 Höhenmetern ging, dachte ich, dass ich es insgesamt noch in weniger als zehn Stunden ins Ziel schaffen könnte. Bis zum Timmelsjoch rechnete ich grob zwei Stunden und runter werde ich dann sicher nicht mehr als eine Stunden brauchen werden.
Wie gesagt, ich wollte daher eigentlich erstmal wieder locker hochfahren aber direkt auf den ersten Metern zerschlug sich der Plan. Man fuhr hier in der Mittagshitze wie schon zuvor so oft in der Sonne und ich hatte ab dem ersten Meter wieder Hunger, aber es wollte kaum was rein. So quälte ich mich von Beginn an und ich war langsam wie den ganzen Tag noch nicht. Irgendwie schaffte ich es dann doch nach und nach zwei Gels in kleinen Portionen runterzuwürgen und die ständigen Pläne „an der nächsten Kurve halte ich an und mach Pause“ (wie doch recht viele andere Fahrer) konnte ich bis zur Verpflegungsstelle bei der Baumgrenze und ca. der Hälfte der Auffahrt schieben. Dort machte ich dann richtig Pause, aß so viel es ging, rief noch mal daheim an und setzte mich ein Paar Minuten einfach mal auf eine Bank.
Der Ort der Verpflegungsstelle war recht demotivierend gewählt, denn man hatte eine perfekte Aussicht auf die zweite Hälfte des Anstiegs mit einigen Serpentinen – und es sah nicht gerade flach aus.
Irgendwann (genauer: nach 15 Minuten Pause) – die Zeit von weniger als 10 Stunden war mir mittlerweile völlig egal und ich wollte nur noch irgendwie ins Ziel fahren – raffte ich mich auf und fuhr weiter. So wirklich viel Hunger hatte ich zum Glück nicht mehr und irgendwie kam die Passhöhe, die man wegen der Serpentinen weiterhin ganz gut ziemlich weit oben sah, doch langsam näher. An einer weiteren Verpflegungsstelle hielt ich noch mal kurz an. Oben auf über 2500 Höhenmeter angekommen war das Wetter nicht mehr ganz so prima und es tröpfelte leicht. Ich zog eine Weste an und rollte langsam runter. Bei dieser letzten Abfahrt war es mir umso wichtiger nicht noch zu stürzen. Zwischendrin musste man sogar noch mal 1-2 Kilometer bergauf fahren, aber da man Sölden schon sehen konnte, war das dann auch egal, dass es noch mal etwas anstrengend wurde.
Als ich in Sölden ankam hielt ich ca. 1 Kilometer vor dem Ziel bei meiner Familie an. Nach einem kurzen Plausch rollte ich locker ins Ziel. Dort blieb die Zeit dann bei 10:29:48h stehen. Damit belegte ich Platz 1935 von 3533 Männern. Die Zeit ist mir wirklich ziemlich egal, dennoch hier ein paar Maßnahmen, mit denen ich es in Zukunft schneller schaffen könnte:
– Mehr lange Trainingsfahrten – die schlecht trainierte Fettverbrennung hat sicher den größten Einfluss gehabt.
– Nicht die 100€ Laufräder auf Rad lassen.
– Gepäckträger am Rennrad abschrauben (mir sind aber noch zwei andere Fahrer mit solch einem Setup begegnet 🙂 ). Ich habe den drangelassen, da ich ihn im Urlaub brauche und da er an der Bremse befestigt ist. Und da wollte ich nicht noch an was, das funktioniert, rumfummeln.
– Kürzere Pausen (insgesamt habe ich über 40 Minuten Pause gemacht).
– Rennrad mit Scheibenbremsen kaufen – Damit würde ich mich bestimmt sicherer fühlen und müsste vor Kurven später anbremsen.
Der Ötztaler ist ein tollen Rennen und obwohl die Auffahrt zum Timmelsjoch vermutlich wegen ihrer Länge und Höhe die längste harte Zeit war (ca. 2,5 Stunden), die ich in einem Wettkampf verbracht habe, behalte ich das Rennen in guter Erinnerung. Das Rennen wollte ich unbedingt einmal gemacht haben und der Haken in der „Rennen-TODO-Liste“ ist nun gesetzt. Dennoch werde ich so schnell dort nicht mehr starten. Mir ist sowohl das Risiko bei den Abfahrten als auch beim Wetter zu groß. Dieses Jahr war das Wetter super – bei Regen (ggfs. sogar Schnee) möchte ich hier aber nicht starten, denn da fallen meine Finger beim Abfahren ganz bestimmt ab.
Erwähnenswert ist noch, dass bis auf wenige Ausnahmen aus meiner Sicht wirklich viele gute Sportsmänner und -frauen am Start waren. Alle fuhren rücksichtsvoll. Beim Triathlon rege ich mich manchmal die gesamte Radstrecke über auf, weil alle ihren Müll in der Gegend rumwerfen und vor allem weil viele immer wieder den illegalen Windschattenvorteil suchen. Hier war es nun sehr entspannt. Ich war sogar bei weitem nicht der einzige mit Beinbehaarung 😉 – auch ein Zeichen, dass für die Leute Ankommen mehr als jede Sekunde zählt.