Seit Jahren schiebe ich die Teilnahme an einem Ultramarathon vor mir her. Als Ultramarathon gilt jeder Lauf, der länger als die Marathondistanz von 42,2km ist. Das wollte ich irgendwann unbedingt mal machen. Bisher verschob ich es Jahr für Jahr, weil ich mir immer dachte dann so einen solchen Lauf zu machen, wenn ich läuferisch gut durch den Winter kommen würde, also z. B. einen langen Lauf von 20-35km in der Woche absolviert hätte. Das war schon lange nicht mehr der Fall, genauso wie auch in diesem Jahr.
Doch schon nachdem ich mich nach dem Düsseldorf Marathon Ende April recht gut erholt hatte, kam mir auf einmal wieder der Gedanke dieses Jahr vielleicht das Abenteuer Ultramarathon anzugehen. Die Alternativen für mich waren Anfang Juni 100km in Biel in der Schweiz („der“ Ultramarathon Klassiker) oder eine Woche später Mitte Juni 80km in Karlsruhe beim Fidelitas Nachtlauf. Dass sowohl 100km in meiner Form wohl etwas zu viel wären als auch dass Biel logistisch wesentlich aufwändiger gewesen wäre (330km Fahrt, Hotelübernachtungen) legte ich mich auf Karlsruhe fest.
Ich trainierte erstmal normal weiter, startete beim Mannheim Marathon und lief einmal 30km in der Woche. Als ich eine Woche vorher dann immer noch gesund war, entschied ich endgültig, starten zu wollen.
Insgesamt lief ich bis zum Nachtlauf ca. 570km. Seit April war ich max. zwei Mal die Woche laufen, dafür eigentlich immer um die 30km. Dazu kamen noch ca. 1200km auf dem Rennrad und ein paar Kilometer Schwimmen.
Aber wie sollte ich einen Ultramarathon angehen? Trainingsmäßig war ich bezüglich der notwendigen Kilometerumfänge sicherlich nicht sonderlich gut vorbereitet. Trotz der beiden Marathons, ohne die es wohl nicht gegangen wäre, war das Maximum, was ich in den letzten 12 Monaten in einer Woche gelaufen bin, gerade mal 50km. Sicherlich nicht viel wenn ich auf einmal gleich 80km am Stück laufen wollte. Deshalb plante ich es wie folgt anzugehen:
- Einen Marathon schaffe ich auf jeden Fall gut und 10-15km mehr sollten gerade bei einem locker gelaufenen Marathon auch noch ganz gut machbar sein und dann wären es ja nur noch knapp 25km, die ich notfalls mit Spazierengehen oder zumindest Gehpausen auch noch schaffen würde.
- Außerdem war da ja noch die Langdistanz-Triathlon-Erfahrung. Von dieser weiß ich, dass ich auch nach mehreren Stunden Sport noch einen guten Marathon laufen kann.
- Auf eine Zielzeit wollte ich mich vorab nicht festlegen und es war mir auch wirklich relativ egal. Grob rechnete ich die erste Hälfte mit einem Schnitt von um die 6min/km laufen zu können, d. h. 4 Stunden insgesamt. Die zweite Hälfte würde dann vermutlich eher etwas langsamer werden, so dass ich bei einem Lauf ohne größere Katastrophen mit 9h plus/minus irgendwas kalkulierte.
Das Wetter am Wettkampftag war klasse. Nicht ganz heiß, aber dennoch ein schöner Sommertag. Der Start erfolgte um 17h und am Anfang ging es erstmal ca. 17km flach durch die Felder rund um Karlsruhe. Zu Beginn lief ich wie geplant um die 6min pro Kilometer. Da ich bei den letzten beiden Marathons stets Hunger bekam und ich dieses Mal extra viel vorher gegessen habe, verbrachte ich diese ersten Kilometer mit Verdauen und so fühlte es sich nicht so locker an wie es sollte.
Ab Kilometer 17 ging es dann in den Schwarzwald und damit war es quasi nicht mehr wirklich flach. Da die Läufer um mich herum bei steileren Bergaufstücken meist gingen, machte ich es ihnen nach, denn die schienen erfahrene Ultraläufer zu sein und somit zu wissen was sie taten.
Alle 4-8 Kilometer gab es Verpflegungsstellen. Diese waren eher einfach aber völlig ausreichend und es gab alles, was man brauchte (Wasser, Iso, Kola, Bananen, Kuchen, salzige Erdnüsse, Salzstangen). Sie bestanden nur aus einer Brauereibank und 2-4 Helfern und wollte ich mehrere Becher, so lies ich noch mal einschenken. D. h. ich blieb stets wenige Minuten stehen, um mich gut zu verpflegen. Insgesamt sollte ich so über die gesamte Wettkampfdauer knapp 25min mit Stehen verbringen.
So lief das Rennen vor sich hin und obwohl ich mich gerne etwas lockerer gefühlt hätte, war ich guter Dinge. Es machte wirklich Spaß, gerade da es ein schöner Sommerabend mit vielen schönen Ausblicken war. Vor dem Wettkampf war ich mir nicht sicher ob ich mehr Respekt vor der Distanz oder – da nur knapp 200 Starter plus ein paar Wanderer und Staffeln teilnahmen – vor dem einsamen Laufen gerade nachts im Wald haben sollte. Doch beim Laufen war beides dann überhaupt kein Problem. Ich fand es ziemlich cool auch mal einsam ein Stück zu laufen und letztlich traf ich doch immer mal wieder auf andere Läufer. Und statt wilder Tiere habe ich lediglich einen Frosch getroffen.
Streckenposten gab es übrigens keine und die Straßen waren ebenfalls nicht gesperrt. So musste man stets nach Pfeilen auf der Straße („Schnitzeljagd“ :)) Ausschau halten und ich musst auch mal kurz an einem Bahnübergang und einer Fußgängerampel stehen bleiben. Trotzdem habe ich mich selbst nachts im Wald dank Stirn- und Taschenlampe sowie der auf meine Uhr geladenen GPX-Strecke nicht verlaufen.
Die Hälfte passierte ich nach ca. 4 Stunden. Sollte ich das Tempo halten können, wäre ein Traumzeit von 8h drin. Bei der dortigen Verpflegungsstelle war mein Rucksack hinterlegt und als ich damit weiter lief, war der erstmal ganz schön schwer. Ich hatte einfach zu viel mitgenommen (2 Handys, Geld ;), Jacke, langes Laufshirt, mehrere Riegel und Gels, volle Getränkeflasche, Taschenlampe, Stirnlampe). Hier habe ich definitiv noch Lernpotential, denn bis auf die Gels, von denen ich vor jeder Verpflegungsstation eines aß und dem Licht habe ich im Prinzip nix gebraucht.
Ich gewöhnte mich aber letztlich schnell an den Rucksack und lief einfach im 6er Schnitt weiter. Härter wurde es erstmal auch nicht. Zwar hatte ich immer mal wieder kleinere Hochs und auch Tiefs (mal etwas Hunger, mal Durst und einmal etwas Seitenstechen), doch mit jedem Kilometer wurde ich optimistischer, sogar in 8h ins Ziel kommen zu können.
Als nach 60km die letzte Steigung absolviert war, von der aus es kilometerlang leicht bergab ging, begann ich auch etwas schneller zu laufen (5-5:30min/km). Hier begann es richtig Spaß zu machen. So lief es dann bis Ettlingen, von wo aus es nur noch ein paar flache Kilometer über die Felder und durch den Wald ging. Diese letzten Kilometern konnte ich weiter richtig flott laufen und sammelte noch ein paar Läufer und Staffeln ein. Ins Ziel kam ich dann nach 7 Stunden und 51 Minuten und belegte unter 99 Männern den 15. Platz und den 3. unter 10 in meiner Altersklasse. Für das „wenige“ Training war ich mehr als zufrieden.
Der Lauf hat mir sehr viel Spaß gemacht. Gerade auch die „idyllische“ Stille durch die schöne Landschaft oder später durch die Dörfer hatte seinen Reiz. Gefallen hat mir auch, dass im Vergleich zu anderen großen Veranstaltungen in dieser sportlichen Kategorie wie z. B. beim Ironman es einfach viel ruhiger und entspannter zu geht. Hier stand einfach der Sport im Mittelpunkt. Ich werde so einen Lauf sicherlich wieder machen.