Knastmarathon Darmstadt 2019

Letztes Jahr lief ein Bekannter von mir beim Darmstädter Knastmarathon mit und die Idee gefiel mir sofort, so dass ich mich für die Austragung 2019 anmeldete.

Bei dem Lauf handelt es sich um eine Resozialisierungsmaßnahme für Sträflinge der JVA Darmstadt. Diese bereiten sich ab Ende des Vorjahres gemeinsam auf den Marathon vor, der dann in ihrer Anstalt stattfindet, und der auch für Nicht-Sträflinge wie mich – das sei hier noch mal explizit klargestellt 😉 – offen ist. Für das Training müssen sie auch „Opfer“ bringen, vor allem auch ihre Freizeiten teilweise zum Training nutzen.

Mein eigenes Training war im Herbst 2018 und im Winter 2019 wie immer sehr mäßig. Im Januar lief ich 10km, im Februar 72km und im März und April dann immerhin jeweils 134km. Dazu kommen noch 1000 Rennradkilometer im April vom Mallorca Urlaub. Außer beim St. Ilgener 10km-Lauf und dem Halbmarathon in Heidelberg lief ich quasi nie wirklich schnell. Doch immerhin waren schon drei Läufe über 30km sowie zwei über 20km dabei. Das würde für einen Marathon sicher reichen, für einen schnellen (für mich aktuell alles unter 3:30h) aber nicht. Da ich auch für den Mannheim Marathon, der eine Woche später stattfinden sollte, gemeldet war, nahm ich mir vor es locker anzugehen und eine Zeit von knapp unter 4h anzupeilen, um noch Körner für eine schnellere Zeit in Mannheim übrig zu haben.

Am Wettkampftag war das Wetter zum Laufen perfekt: Bei ca. 10°C wechselten sich Sonne und Wolken ab, besonders windig war es nicht.

Eingang der JVA
Warten vorm Tor

Um in die JVA zu kommen, wurden wir gründlich durchgecheckt, so dass wir keine verbotenen Gegenstände oder Substanzen mit in die JVA nehmen konnten. Am Eingang gab es eine Kontrolle ähnlich wie am Flughafen und es mussten alle Wertsachen inkl. Handy abgegeben werden. Danach wurden wir und unsere Taschen von Drogenspürhunden beschnuppert. Dafür mussten wir uns im Kreis hinsetzen und der Hund beschnupperte jeden einzelnen kurz. Für einen wie mich, der großen Respekt für Hunde hat, war das doch etwas unangenehm, da das Tier recht aktiv war, aber ich riss mich zusammen und dann war es auch schon schnell ohne Bisse usw. vorbei.

Dann konnten wir in die Anlage. Diese ist aus meiner Sicht recht groß, so wie vielleicht auch in einer Kaserne. Es gab viele Gebäude mit Grünflächen und Bäumen drumherum sowie ein paar Straßen und einen Sportplatz. An der Strecke waren schon einige Sträflinge mit dem Aufbau der Verpflegungsstation zu Gange, die so in der Mitte der Strecke aufgebaut war, dass man auf jeder der 24 zu laufenden Runden gleich zwei Mal dran vorbei lief. Da ich viel zu früh war, setzte ich mich hin und sah dem ruhigen Treiben über eine Stunde lang zu.

Weil ich ja locker laufen wollte, lief ich mich gar nicht warm sondern ging einfach um 10.00h zum Start und lief zusammen mit ca. 130 anderen Nicht-Sträflingen sowie 5 Sträflingen los. Obwohl es sich locker anfühlte, lief ich von Beginn an deutlich schneller als ich wollte mit einem km-Schnitt von 5:10-5:20min/km los. Schnell hatte ich einen Mitläufer mit dem ich die ersten 14km zusammen lief. Dann ging ich zum ersten Mal aufs Klo (in ein Gebäude an der Strecke) und lief von da an alleine. Eigentlich wollte ich nun langsamer laufen, aber das klappte nur ein bisschen.

Strecke
Die Strecke

Während diesen ersten ein, zwei Stunden des Laufs hatte ein Trakt Hofgang. Der Hof des betroffenen Gebäudes war noch mal extra eingezäunt und so hatten wir an dieser Stelle immer viele Zuschauer, die auch kräftig anfeuerten und auch den ein oder anderen Spruch zu uns riefen. Vor allem zu den Läuferinnen. Während des restlichen Laufs hörte man auch vereinzelt immer mal wieder (unverständliche) Sprüche aus den anderen Gebäuden.

So lief ich weiter, die Beine wurden schon etwas schwerer und ich bekam etwas Hunger, den ich mit kleinen Bananenstücken auf fast jeder Runde stillte, doch ich lief und lief weiter. Die Halbmarathon-Marke durchlief ich nach 1:52h, hochgerechnet also 3:44h. Da ich zumindest ein klein wenig langsamer lief als zu Beginn war, kam mir so nach 25km der Gedanke, dass ich jetzt die zweite Hälfte aber auch nicht langsamer laufen will, als die erste, und so lief ich von nun an wieder ein klein wenig schneller.

Zu der Zeit hatten weitere Gebäude Hofgang. Hier durften die Sträflinge direkt ohne Zaun an die Strecke. Es gab hier auch nur Anfeuerungen, vor allem für die da nur noch vier laufenden Insassen.

Meine Beine waren weiterhin etwas schwer, aber ansonsten ging es gut und so wurde ich immer ein klein wenig schneller und schneller. Die drittletzte Runde war meine drittschnellste, die zweitletzte die zweitschnellste und die letzte die schnellste. Nach 3:37:19h kam ich als 14. von 75 Männern ins Ziel. Im Prinzip war ich zufrieden, aber irgendwie war das nix Halbes und nix Ganzes, weil ich doch nicht sooo schnell war, aber doch zu schnell um eine Woche später in Mannheim einen (deutlich) schnelleren Marathon laufen zu können. Letztlich lief ich aber ja nicht für eine besondere Zeit, sondern um die Erfahrung des Knastmarathons gemacht zu haben.

Nach dem Lauf blieb ich noch die 1,5h bis zur Siegerehrung und schaute den anderen Läufern zu, unterhielt mich etwas mit einem Sträfling und verpflegte mich an der sehr tollen Verpflegung. Zwar durfte man keine Lebensmittel mitbringen, aber es gab die ganze Zeit über kostenlose Getränke, Obst, belegte Brötchen und am Ende auch Kuchen. Die kurze Siegerehrung war es dann auch wert, vor allem zu sehen wie sich die Sträflinge bei der Pokalübergabe ihrer Sträflingsehrung freuten. Der Gewinner dieser Wertung kam mit 3:30h auch vor mir an.

Danach war ich dann doch froh, ohne Probleme wieder aus der Anstalt entlassen worden zu sein. Es war eine tolle Erfahrung. Das Laufen vieler Runden war für mich kein Problem und nicht so langweilig, weil man sich stets begegnete und es immer was zu sehen gab. Was die Sträflinge angeht, muss ich sagen, dass aus meiner Sicht das Klischee zutrifft. Das sind zum Großteil vom Aussehen her echt „harte Jungs“. Die, mit denen ich an der Verpflegungsstelle und auf der Strecke zu tun hatte, waren alle aber sehr engagiert und freundlich, feuerten uns z. B. immer wieder an. Das muss sicher nicht meine letzte Teilnahme gewesen sein.


Endlich wieder auf freiem Fuß